Die Vielfalt der Optionen
Die Rolle Projektleitung definiert sich oft aus der Entscheidungsbefugnis der handelnden Person. Auch deshalb findet sich das Kriterium Entscheidungsfähigkeit in etlichen Bewertungs- und Feedbackbögen. Da jeder von uns bis zu 20.000 Entscheidungen am Tag trifft, können wir alle getrost von uns behaupten, über diese Kompetenz zu verfügen. In der hier startenden Serie versuche ich, einen Einblick zu geben, welche Strategien mir in 15 Jahren Projektleitung bei der Kanalisation meiner Entscheidungskompetenz geholfen haben.
Kann es nur eine geben?
Die Erzählung, dass der Erfolg und Wohlstand unserer Gesellschaft auf Wettbewerb beruht, ist allgegenwärtig. Viele Menschen, die beruflich in verantwortungsvolle Positionen gelangen, haben zuvor jahrelang Rückmeldungen erhalten, dass sie “die besten Lösungen” lieferten und sind oft genau deshalb in ihre Positionen gekommen.
Auch in unserer Popkultur wird stets nach der perfekten Lösung gesucht. Das passt wunderbar in den Wettbewerbsgedanken und ist spannend anzusehen, voll von Momenten der Trauer und des Glücks.
So kommt es, dass viele Projektleitende und Führungskräfte versuchen, die eine beste Lösung zu finden. Solange die Ergebnisse gut sind, lassen sich Beobachtung und Weltanschauung auch miteinander vereinen. Wenn die Realität allerdings beweist, dass es bessere Lösungen gegeben hätte, kann es sowohl für die Entscheider als auch für ihr Umfeld unangenehm werden.
Viele Wege führen nach Rom
Leider ist die Suche nach der besten Lösung eine Geisterjagd. Unsere Welt ist zu komplex, als dass ein Mensch sie vollständig erfassen könnte; der Versuch, die Zukunft vorherzusagen, muss scheiten. So banal sich diese Erkenntnis liest, so schmerzhaft ist es für manche Menschen zu akzeptieren, dass ihre Macht begrenzt ist.
Für mich war es sehr hilfreich und erleichternd, die Vielfalt der Handlungsoptionen als Geschenk anzunehmen und zu akzeptieren, dass “Fehler” passieren werden.
Wenn es viele gute Optionen gibt, spielt es keine Rolle, welche ich letztendlich wähle. In dem Fall wird jede Wahl, sofern ich sie treffe, meine Situation verbessern. Wer nach Verbesserung strebt, hat es leichter zu akzeptieren, nicht das Beste erreicht zu haben.
Ein Beispiel:
Angenommen, wir erhielten auf eine Stellenausschreibung unzählige Bewerbungen: Wir könnten das Bewerbungsverfahren wie eine Castingshow gestalten und uns am Ende den Kopf darüber zermartern, welche:r Kandiat:in am besten geeignet sei. Vielleicht brauchen dadurch wir für die Entscheidungsfindung sehr lange und die guten Kandidaten:innen sagen ab.
Alternativ könnten wir akzeptieren, dass wir die Zukunft sowieso nicht kennen; unsere Analysefähigkeit kommt mit einer immensen Unschärfe daher! Wir könnten auch schlicht aus einer Gruppe vielversprechender Kandidaten:innen losen und hätten Zeit gewonnen für Dinge, die wir wirklich beeinflussen können.
Autor
Berend Semke
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